Ortsporträt: Nieder-Olm - Prosperierende Stadt mit Geschichte

Wer Nieder-Olm und die Nieder-Olmer kennenlernen möchte, der geht am besten zunächst mal dienstags auf den Markt. Der Besucher hat damit gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.


Denn zum einen trifft er dort viele Bürger der Stadt, kann Kontakte knüpfen, lernt die rheinhessische Lebensart kennen. Zum anderen gibt es an den Buden und am Weinstand viele Leckereien – und all’ dies kann man im Antlitz der historischen und der modernen Gebäude ringsum genießen, die den vor einigen Jahren neugestalteten und damit belebten Rathausplatz säumen: Katholische Kirche, Altes Rathaus, VG-Rathaus, Grundschule, Eisdiele. Man ist sozusagen dort, wo das Herz der Stadt schlägt. Und das schon seit Jahrhunderten.

Über 10.000 Einwohner hat Nieder-Olm, mehr als 3000 Arbeitsplätze gibt es hier. Im Gewerbegebiet und im Gewerbepark im Selztal finden sich viele große und kleine Firmen die dazu beitragen, dass der Sitz der Verbandsgemeinde von der zwar zentralen, aber doch bäuerlich-dörflich geprägten Gemeinde im Herzen Rheinhessens zu dem prosperierenden, stetig wachsenden Städtchen wurde, das es heute ist – neue Baugebiete inklusive. Die Wirtschaftsstruktur ist dann auch eher von den hier angesiedelten Dienstleistern geprägt. Die Landwirtschaft spielt zwar eine wichtige, aber schon länger nicht mehr die Hauptrolle. Schwimmbad und die Musikschule der VG, zwei Sportplätze, mehrere Sporthallen, Gymnasium, IGS, Förderschulen, Kindergärten machen das Angebot komplett. In der Stadtmitte steht die katholische Kirche St. Georg seit etwa dem 8. Jahrhundert am gleichen Platz, seit dem 18. Jahrhundert in der heutigen Form. Gemeinsam mit dem alten Rathaus von 1827 ist sie das prägende Gebäude des Zentrums.


Früher war dies die Laurenziburg. „Von ihr ist außer dem Namen der Grundschule aber nichts mehr geblieben“, sagt Irmtrud Möller, die mit ihrem Mann Hugo als Mitglied in der IG Geschichte eine Kennerin von Stadt und Historie ist. Endgültig Geschichte ist die Burg seit den 1950er-Jahren. Damals wurde sie komplett abgerissen. Erstmals geschliffen wurde sie aber schon ein paar Jahrzehnte zuvor. Von Kaiser Napoleon. Beziehungsweise seinen Straßenbauern. Denn nachdem die Franzosen samt der Revolution in die Gegend kamen, wollte der Kaiser eine direkte Verbindung in die Provinzhauptstadt Mainz. In Nieder-Olm stand dieser Route die Burg im Weg.

Was bauhistorisch bedauernswert ist, trug aber sicherlich mit dazu bei, dass Nieder-Olm auch heute noch eine wichtige Stellung in der Region hat – als kleines Zentrum vor den Toren der Großstadt Mainz. Ein Treffen mit den Möllers beginnt idealerweise vor dem alten Rathaus. Denn dort hat die „Interessengemeinschaft Nieder-Olmer Geschichte“ ihre Heimat. Die Möllers sind dort öfter mal am Werkeln. Außerdem ist die Bank unter der Platane ein guter Platz für einen ersten Exkurs, denn der Blick fällt dort direkt auf einen Brunnen, der so gar nicht historisch daherkommt: „Der Brunnen ist anlässlich des Baus des VG-Rathauses 1978 von dem Künstler Johannes Metten gestaltet worden“, sagt Hugo Möller. Mit der Umgestaltung des Rathausplatzes vor einigen Jahren wurde er vom VG Rathaus weg in Richtung Altes Rathaus versetzt. Und dient jetzt als idealer Startpunkt für einen Spaziergang durch das alte Nieder-Olm – entlang des Metten-Skulpturenweges, der sich durch die ganze Stadt zieht. Denn nicht nur Johannes Metten ist als Künstler sichtbar. Vor allem seine Frau Liesel gestaltete viele Ecken und Enden mit ihren Fabelwesen und ihren historischen Bezügen.





Ein interessanter Spaziergang ist dies, der an vielen historisch bedeutsamen Orten vorbeiführt. Übrigens ebenso wie der Wilhelm-Holzamer-Wanderweg, der sich an Schauplätzen orientiert, die der aus Nieder-Olm stammende Schriftsteller in seinen Romanen und Erzählungen nutzte. 18 Kilometer lang ist dieser Weg über die Grenzen der Stadt hinaus. Der Skulpturenweg führt eher durch den Ortskern, zunächst die Alte Landstraße hinunter – im Mittelalter die Durchfahrtsstraße des Dorfes. „Hier geht es vorbei an der Schmiede Wettig mit ihrer historischen Werkstatt“, sagt Irmtrud Möller. Das Anwesen dient auch als Veranstaltungsort: In der dazugehörigen Scheune wird Musik gemacht, ausgestellt, Kabarett gespielt, empfangen, Kaffee getrunken, geheiratet und, und, und. Die nächste Mettenskulptur, der Schäfer, ist schließlich ein paar Meter weiter auf dem kleinen, gemütlichen Recey-Platz. Der wird rege genutzt als Platz zum Austoben für Kinder, Schattenplatz in der Mittagspause, Jugendtreff. „Und hier stehen die wohl ältesten Häuser im Dorf aus dem 17. Jahrhundert“, sagt Irmtrud Möller.




BESPIELBARE METTEN-SKULPTUREN

Weiter geht es durch den alten Ortskern in die Backhausstraße, wobei mit dem Blindenhund und dem Brezelfresser unterwegs zwei weitere Metten-Skulpturen zu besichtigen und vor allem zu bespielen sind. Denn die Werke des Künstlerpaares im öffentlichen Raum sind explizit dafür gemacht. „In der Backhausstraße stand früher das öffentliche Backhaus“, klären die Möllers den Namensbezug. Das Gebäude steht noch, wie überhaupt die ganze Straße ziemlich historisch daherkommt – allerdings im modernisierten Kleid. Die Backhausstraße liegt mitten in dem Gebiet, das Dank des Stadtsanierungsprogramms seit den 1980er-Jahren aufgehübscht wurde. Dazu gehört auch die Wassergasse im Anschluss. Die Gänsliesel ist hier das nächste Mettenwerk, ehe man vor der Bischofsmühle steht. Heute ein Weingut, war das Anwesen früher eine von vielen Mühlen: Wingertsmühle, Wiesenmühle, Hubertusmühle, Woogmühle, die Ecklocher Mühlen, die ebenfalls heute als Weingut fungierende Eulenmühle.

Durch die Domherrnstraße geht es vorbei am alten Schlosshof und ehemaligen Pfarrhaus weiter Richtung Bahnhof. Und dabei überschreitet der Spaziergänger nach und nach, fast unbemerkt, die Schwelle vom alten ins neue Nieder-Olm. Angefangen beim Bahnhof selbst, der mittlerweile gastronomisch genutzt wird. Gegenüber war früher der Stammsitz des Spirituosenherstellers Eckes, der wesentlich am Nieder-Olmer Nachkriegsaufschwung beteiligt war. Heute ist der Saftproduzent auf die andere Seite der Bahn gezogen. Das alte Gelände wird teils für Büros genutzt, teils sind dort Wohnungen entstanden, teils ein Geschäftszentrum – und ist damit ein zentraler Motor der städtischen Entwicklung geblieben.


NIEDER-OLM
Seit 2006 darf Nieder-Olm als zentrale Kommune der VG den Titel Stadt tragen. Mittlerweile leben über 10.000 Menschen hier, die Gemarkung ist 1.122 Hektar groß. Weinbau wird jedoch nur noch auf 82 Hektar betrieben. Es gibt 65 Vereine und drei Partnergemeinden: Recey sur Ource (Frankreich), Bussolengo (Italien), L'Alcudia (Spanien).

Bildunterschriften (von oben nach unten):
1. Ein schönes Ensemble bilden die kath. Kirche St. Georg und das alte Nieder-Olmer Rathaus.
2. Dienstags ist in Nieder-Olm Markttag – ein richtiger Treffpunkt für alle Bürger.
3.  Mit Irmtrud und Hugo Möller geht es durch Nieder-Olm.
4. Der von Johannes Metten gestaltete Brunnen in der Stadtmitte.
5. Eine der vielen bespielbaren Kunstwerke von Liesel Metten, die man in Nieder-Olm findet.

Aus der Broschüre "Mitten in Rheinhessen". Kostenlos erhältlich im Rathaus der Verbandsgemeinde Nieder-Olm
Text: Bardo Faust
31. Januar 2019